Der junge Walt
Walter Elias Disney wurde am 5. Dezember 1901 in Chicago geboren. Sein Vater, ein Bauunternehmer, war anglo-irischer Herkunft und von kanadischer Geburt; seine Mutter stammte aus Ohio. Als er noch ein kleiner Junge war, zog die Familie mit seiner Schwester und seinen drei Brüdern auf eine Farm in Mercelina, Missouri. Alle Kinder, selbst das jüngste, mußten auf der Farm helfen, doch Walt interessierte sich schon bald fürs Zeichnen und erhielt endlich mit 14 Jahren seinen ersten Kunstunterricht in Kansas City. 1919 diente er als Ambulanzfahrer bei der US-Armee in Frankreich. Er zeichnete zwar noch immer, wenn auch nur Karikaturen auf seinem Krankenwagen und falsche Medaillen auf die Jacken seiner Kumpel. Er hatte die damaligen Zeichentrickfilme gesehen und war davon überzeugt, es besser zu können. Nach seiner Rückkehr nach Kansas City machte er mit dem Künstler Ubbe "Ub" Iwerks Webefilme und, was bezeichnend ist, moderne Visionen von Cindarella (Aschenbrödel) und Robin Hood. Er tat sich mit seinem älteren Bruder Roy zusammen, um eine Serie von Kurzfilmen mit dem Titel Alice in Cartoonland zu produzieren, bei denen "live aktion" mit Trickfilmen verbunden wurden (eine Formel, zu der Disney Jahre später mit Song of the South und Mary Poppins zurückkehrte).
Disney geht nach Hollywood
Die Alice-Streifen hatten einigen Erfolg, doch die Kosten waren für das neue Studio zu hoch. Mit dem ganzen Selbsvertrauen und Tatendrang eines 21jährigen Burschen aus dem Mittelwesten machte sich Walt Disney 1923 auf dem Weg nach Los Angeles. Er plante, eigenständige Charakrere in Situationen zu schaffen, mit denen sich die Zuschauer identifizieren konnten. Iwerks ihm als Art Director, und Roy Disney der in Kalifornien lebte, kümmerte sich ums Geld. Es daerte nicht lange, und das Team hatte sich eingespielt. Walt Disney lieferte die Ideen und "befruchtete"- wie er es ausdrückte - die verschiedenen Abteilungen wie eine Biene auf ihrem Flug von Blüte zu Blüte. 1926 gab er das Zeichnen auf. Später war er manchmal verlegen, wenn die Kinder glaubten, er hätte seine Filme ganz allein hergestellt - er konnte nicht einmal eine Skizze von Pluto oder Goofy anfertigen! Oswald the Lucky Rabbit war ein großer Erfolg und brachte dem Studio frühe Anerkennung, doch in einem Vertragsstreit mit einem New Yorker Filmverleih verlohr Disney die Urheberrechte an den "glücklichen Hasen". Das war ihm eine Lehre: Fortan hielt er alle Werke seines Unternehmens unter strenger Kontrolle und schützte sie nach allen Seiten mit Autorenrechten ab.
Mickey macht Karriere
Laut Walt Disney kam ihm im Zug zurück von New York die Idee zu einem neuen Helden, einer Maus namens...Mortimer! Als er seiner Frau Lillian davon erzählte, schlug sie statt dessen klugerweise den Namen Mickey vor. Ub Iwerks' Zeichnung des künftigen Markenzeichens - mit dem berühmten Ohren, der Samthose, den großen runden Schuhen und den Vierfinger-Handschuhen fiel zu Walts Zufriedenheit aus. Mickey Mouse erschien 1927 in dem Stummfilm Plane Crazy, der gleichzeitig mit dem ersten gedrehten Tonfilm The Jazz Singer herauskam. Mit untrüglichem Gespür für die Richtung, aus der der Wind wehte, zog Disney Plane Crazy schnell zurück und führte ihn später als Tonfilm wieder auf. Mickey war inzwischen 1928 zum Star in Streamboat Willie, den ersten Zeichentrickfilm mit synchronisiertem Ton, avanciert. Im selben Film hatte Minnie Mouse ihr Debüt, als Mickey sie mit einem Bootshaken an Bord zog, der sich in ihrer Unterwäsche verfangen hatte.
Ruhm und Reichtum
Steamboat Willie und seine Stars waren ein Riesenerfolg. Disneys Ruhm im Auslandwuchs mit dem Erscheinen seiner Filme und Comic-Hefte in zahlreichen Sprachen. Mit Donald Duck bekam der allzeit frisch-fromm-fröhliche Mickey 1934 einen ernsthaften Rivalen. Der heimtückische, jähzornige Vogel im drolligen Matrosenanzug, der in seinem Stolz immer auf der Schnabel fällt, wurde in einigen Ländern sogar beliebter als die Maus selbst. Mit dem Film Flowers and Trees (1933), der als Schwarz-Weiß-Fassung halb fertiggestellt war und neubegonnen wurde, und einigen Streifen der Serie Silly Symphony Mitte der 30er Jahre erwies sich Disney auch als Farbfilm-Pionier. Die Handlungen dieser Zeichentrickfilme liefen in Märchenlandschaften ab, die in ihrer Art bereits auf die späteren Themenparks hindeuteten.
Schneewittchen
Disney war jetzt bereit, den letzten Gipfel zu stürmen, auch wenn die Studio-Buchhalter angesichts der Kosten nur den Kopf schüttelten. Er wollte den abendfüllenden Zeichentrick-Spielfilm Snow White and the Seven Dwarfs produzieren - zu Walt Disneys Zeit ein risikoreiches Unternehmen. War ihm dabei an künstlerischer Qualität vorschwebte, sollte alle bisherigen Produktionen in den Schatten stellen. Und für einen 83-Minuten-Film benötigte man nicht nur zehnmal soviele Zeichnungen und bemalte "Kulissen" wie für einen Kurzfilm von acht Minuten - nein, viel mehr war erfolgreich, um den menschlichen Figuren die sanften Bewegungen von lebenden Akteuren zu verleihen. Disney engagierte 300 neue Künstler (insgesamt waren es 750), dennoch zog sich die Arbeit an dem Film über zwei Jahre hin. Als der Film Ende 1937 schließlich fertiggestellt war, erlebte Snow White and the Seven Dwarfs unter Teilnahme vieler Leinwandstars eine Hollywood-Premiere, wie sie einem Zeichentrickfilm vorher noch nie geboten worden war. Die ersten Zuschauer, die diesen Film sahen, waren begeistert - wie es seitdem auch alle nachfolgenden Generationen, ob groß oder klein, sind. Der Film wurde ein Bombenerfolg und gewann einen Spezialpreis der Filmakademie, einen großen Oscar für Schneewittchen und sieben kleine für die Zwerge. 1940 folgte Pinocchio, ein Film, der seinen Schöpfer fast noch genialer und ausgefeilter geriet. Auf Neuland wagte sich Disney noch im gleichen Jahr mit dem Spielfilm Fantasia, in dem er die hübschen, lustigen und fantastischen Szenen mit Werken von Bach, Beethoven, Tschaikowskij und Strawinsky untermalte. Eine Starrolle übernahm Mickey Mouse in Paul Dukas' Der Zauberlehrling, dessen Wahn von Allmacht nicht zu bändigende Kräfte heraufbeschwört.
Verwirklichung eines Traums
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte Disney Song of the South, einen Spielfilm, in dem er wirkliche und gezeichnete Akteure gemeinsam auftreten ließ. Darauf folgte eine immer größere Anzahl realistischer Abenteuerstreifen, darunter Treasure Island sowie 20.000 Leagues Under the Sea und Swiss Family Robinson, die alle bereits Ideen für die künftigen Themenparks enthielten. Das gleiche gilt für die abendfüllenden Filme aus den 50er Jahren wie Cindarella, Alice in Wonderland, Peter Pan und Sleeping Beauty. Walt Disney hatte schon immer eine Schwäche für Vergnügungsparks gehabt, und seit den 30er Jahren schwebte ihm eine eigene Fassung von Freizeitpark vor. Obwohl ihm 1947 sein Arzt riet, kürzer zu treten, stürzte er sich in ein neues Projekt, diesmal eine Modelleisenbahn, die immer größer wurde, bis kein Platz mehr da war - es sei denn, er baute die Anlage gleich in einen Themenpark mit ein. Da sein Bruder Roy sich nicht bereit zeigte, mehr als 10.000 Dollar in diese"verrückte Idee" zu stecken, erhöhte Walt das Kapital, indem er seine Lebensversicherung belieh. Um 1952 hatte er die Gesellschaft WED (seine Initialen) gegründet und die Pläne umrissen. In Anaheim am Südrand von Los Angeles kaufte er 65ha Felder und Orangenhaine. Nun konnte er nicht nur eine Eisenbahn, sondern ein ganzes "Disneyland" mit den Gestalten aus seinen Filmen bauen. Die Eröffnung am 17. Juli 1955 war ein überwältigender Erfolg - so etwas wie Disneyland hatte es noch nie gegeben. Im ersten Jahr kamen über vier Millionen Besucher, und mit dem Ruf, den sich Disneyland machte, stieg die Zahl auf über zehn Millionen. Richtig glücklich war Disney nicht. An der Grenzen seines "Königreiches" hatten sich Imbißstände, Souvenierläden und Motels breitgemacht, die nicht zu seiner Traumwelt paßten - und die Einnahmen schmälerten, die, wie er meinte, nur den Walt Disney Productions gehören sollten.
Eine neue "World" in Florida
Walt Disney war entschlossen, denselben Fehler kein zweites Mal zu machen. Die erste Vorbedingung für einen Themenpark im Osten der USA war ein passendes Gelände. Hinzu kamen Kriterien wie ganzjähriger Sonnenschein und gute Straßen- und Flugverbindungen, die man noch ausbauen konnte. Das wurde 1964 in der Nähe der stillen Marktstadt Orlando in Zentralflorida gefunden: ein 11.000ha großes gelände für den damals günstigen Gesamtpreis von sechs Millionen Dollar. Disney plante nicht nur einen größeren Park als das kalifornische Disneyland, sein Traum ging weit darüber hinaus. Er dachte an die Verwirklichung einer "lebendigen, atmenden Stadt der Zukunft", sein EPCOT (Experimental Prototype Community of Tomorrow). Mit einem Werbefilm für sein Projekt wandte er sich an die Industrie und die Bewohner von Zentralflorida, doch das war traurigerweise sein letztes Unternehmen: Im Dezember 1966 starb Disney ganz unerwartet nach einer Lungenkrebsoperation. Roy O.Disney, Walts jüngerer Bruder wurde Vorsitzender der Walt Disney Productions. Auf seinen Vorschlag hin gab man dem Florida-Projekt den Namen Walt Disney World als Tribut an seinen Bruder. "Resort" wurde später hinzugefügt, und innerhalb der Disney-Organisation wird der Name nie auf "Disney World" abgekürzt. Mit der Vorbereitung des Geländes wurde 1967, mit den eigentlichen Bauarbeiten 1969 begonnen. Das Magic Kingdom wurde 1971 eröffnet, das EPCOT Center nahm für seine Realisierung wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Es war nicht einfach, eine harmonische "lebende Gemeinschaft" mit Millionen von Besuchern in Einklang zu bringen. Auf mehreren Weltausstellungen hatte die Disney-Organisation die notwendigen Erfahrungen für die Bahnen und Attraktionen in den Parks gewonnen.Das EPCOT Center wurde schließlich 1982 eröffnet, und auch dieses entspricht Disneys Maxime:"Ich würde lieber unterhalten und hoffen, daß die Menschen lernen, statt zu lehren und zu hoffen, daß sie unterhalten werden". 1983 folgte Tokyo Disneyland und war ebenfalls sofort ein Erfolg. Doch wurde mit den Themenparks das Filmgeschäft vernachlässigt. In der Annahme, daß die EPCOT-Kosten und das Ausbleiben neuer Filmerfolge Walt Disneys Productions geschwächt hatten, drohten einige Spekulanten der Wall Street radikal mit Übernahme, sogar mit Auflösung der Gesellschaft. 1984, zu Donald Ducks 50. Geburtstag, kam die Wende für die Walt Disney Productions und eine neue Ära zeichnete sich ab.
Wieder ganz oben
Michael Eisner wurde jetzt Vorsitzender und Generaldiraktor und Frank Wells Präsident. Die Verbindung zur Disney-Familie blieb mit Roy E. Disney, dem Sohn von Walts Bruder Roy, als Chef der Animationsabteilung erhalten. Es wurden nun wieder eine Reihe von erfolgreichen Filmen und Fernsehserien gedreht, und eine Übereinkunft mit der französischen Regierung über den Bau von Euro Disney Resort östlich von Paris unterzeichnet: Euro Disneyland wurde im April 1992 eröffnet. 1989 kamen in Walt Disney World Resort noch Typhoon, Lagoon und Pleasure Island hinzu sowie neue Hotels und ein dritter Themenpark, Disney-MGM-Studios, in dem man sich wiederganz dem Filmgeschäft widmet.